Die Organisation mischt die Karten und wir spielen.

Was ist die Unternehmensidentität?

Im letzten Artikel hat Michael das Wort Unternehmensidentität verwendet, ist aber im Rahmen des Kulturbegriffs nicht weiter darauf eingegangen. Dies möchte ich nun nachholen.

Im klassischen Management sprechen wir von einem Unternehmensleitbild. Ein wesentlicher Teil dieses Leitbilds ist das Mission-Statement:

„Element des normativen Rahmens eines Unternehmens in dem es den Zweck seines Daseins in Form von Nutzenversprechen gegenüber seinen Anspruchsgruppen darlegt.“1

Der „normative Rahmen“ sind im Grunde Regeln, in dessen Rahmen sich das Unternehmen entwickeln kann. Spannender ist der zweite Teil, in dem vom „Zweck seines Daseins“ gesprochen wird. Es wird also die Sinnfrage nach dem Warum gestellt. Warum gibt es das Unternehmen? Warum sollte jeder Mitarbeiter morgens aufstehen, sich auf den Weg ins Unternehmen machen und einen Beitrag für dessen Zweck leisten?

Das Mittel was in der Management-Lehre dazu vorgeschlagen wird ist, den Anspruchsgruppen, im Neudeutschen sind das die Stakeholder, diesen Sinn in Nutzenversprechen darzulegen.

Dies hat in der Vergangenheit allerdings oft zu generischen Leitsätzen geführt. Hier mal ein Baukasten für ein – offensichtlich gutes, weil oft benutztes – Mission-Statement:

„[Unternehmensname] möchte [Lokal-/Global-Welt-]marktführer in [Branchenbeschreibung] werden um mit seinen talentierten, motivierten und gut ausgebildeten Mitarbeitern seinen Kunden maximalen Erfolg zu bringen.“

So oder sehr ähnlich sehen heute viele dieser Mission-Statements aus. Ihr glaubt das nicht? Schaut mal auf http://www.missionstatements.com/ für amerikanische Unternehmen. Die lesen sich bis auf wenige Ausnahmen alle gleich (auch wenn das eine oder andere Unternehmen eher „Romane“ als „Statements“ schreibt ;-).

Kurze Selbstkontrolle: Was nehmt ihr in euch wahr, wenn ihr ein solches generisches Misson-Statement lest? Wie viel Motivation und Begeisterung setzt dies in euch frei? Wie sehr fühlt ihr „Wow, da möchte ich ein Teil von sein“?

Was hat das alles mit dem „Sinn des Unternehmens“ zu tun? Sehr häufig leider gar nichts. Es gibt zwar ein paar gute Ausnahmen (Ärzte ohne Grenzen, Google, Starbucks, Frederic Lalouxs Paradebeispiel Buurtzorg, …), meistens wird aber von Profit und dem Shareholder Value gesprochen. Dies sollte aber zur Selbstverständlichkeit eines Unternehmenszwecks gehören und demnach nicht noch einmal in einem Mission-Statement betont werden (müssen).

Woher kommt der Sinn des Unternehmens?

Die Artikelüberschrift „Die Organisation mischt die Karten und wir spielen.“ ist ein abgewandeltes Zitat von Arthur Schopenhauer: „Das Schicksal mischt die Karten und wir spielen.“2.  Dies entspricht meiner Einschätzung nach dem, was ich von einem guten Unternehmenszweck erwarten kann.

Die Gründerin/der Gründer einer Organisation gibt die Richtung vor. Unsere Aufgabe ist es nun, diese aufzunehmen und auszugestalten. Frederic Laloux spricht in diesem Zusammenhang davon, „in die Organisation hineinzuhören“.3

Das klingt zunächst seltsam. Sollten nicht die Manager und Unternehmensführer wissen, wohin es mit der Organisation geht? Sollten die Geschäftsführer nicht die Vision vorgeben und die Strategie ausformulieren?

Ich glaube, dass es in einer Organisation, welche auf die Menschen, welche dort arbeiten ausgerichtet ist, nicht mehr sinnvoll ist, dass der Weg von einer kleinen Gruppe vorgegeben wird. Häufig werden Visionen und Leitbilder von den Mitarbeitern gar nicht aufgenommen und im Sinne dieser gehandelt, weil sie nicht akzeptiert werden. Wird nun der Zweck aus der Organisation selbst geboren, so ist die Akzeptanz automatisch gegeben.

Welchen Einfluss hat der Sinn der Organisation?

Ein guter Sinn setzt unglaubliche Motivation frei. Wer morgens aufsteht und einen Sinn darin sieht, warum er nun den Weg zur Arbeit antritt, geht mit sehr viel Energie auf diesen Weg. Derjenige macht sich Gedanken über seine Arbeit und die Arbeit der Organisation und nimmt auch seine Erfahrungen aus dem privaten Alltag mit in die Organisation – und umgekehrt.

Durch diese Vermischung aus Privatem und Beruf ergeben sich dazu sehr viele Synergieeffekte, die durch die Identifikation mit der Arbeit großen Einfluss auf den Arbeitseinsatz, die Innovationskraft und die Ausgestaltung der Kultur am Arbeitsplatz haben. Glücklich und Zufrieden sein auf der Arbeit? Das wäre doch was, oder?

Damit solche Bewegungen im Unternehmen im Sinne des originären Zwecks eines Unternehmens stehen (das sind nämlich weiterhin Profitabilität und Shareholder Value) sollte es Regeln für den Umgang mit größeren Veränderungen geben. Diese sollten aber in keinem Fall die Innovationskraft der Mitarbeiter bremsen. Vielmehr soll diese gefördert werden. Idealerweise werden diese Regeln auch nicht durch das Management vorgegeben, sondern ergeben sich ebenfalls aus der Organisation heraus. Das Management übernimmt hierbei die beratende – und je nach Reifegrad der Organisation – überwachende Funktion.

Auch wenn die Karten gemischt sind, können wir doch selbst das Spiel gestalten. Wir haben die Karten in der Hand und somit liegt es ans uns, was wir damit machen.

Links

[1] http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/unternehmensleitbild.html
[2] http://www.zitatenschatz.de/zitate_nach_herkunft.php?oid=118
[3] Frederic Laloux – Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit, April 2015

 

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